Nichts zu melden

Vor einer Weile bat uns ein Anwalt darum, eine Meldung für ein bestimmtes Medium zu schreiben. Nein, keine Pressemitteilung, die werde ja eh nicht veröffentlicht. Sondern die Meldung so, wie sie dann tatsächlich im Web oder Magazin stünde. Wortwörtlich.

Auf den Einwand, dass es für diese Meldungen ja Redakteure gebe, die selbst entscheiden, was sie schreiben, entgegnete der Anwalt, er kenne ja nun einige Kollegen, die fertige Texte an die Redaktionen schickten, die ganz genau so abgedruckt würden. Wiederum mit meiner Frage konfrontiert, ob er vielleicht keine Personal- oder Dealmeldung meine, sondern einen Gastbeitrag oder gar eine Anzeige, wurde er ungehalten: Der Unterschied sei ihm sehr wohl bewusst. Nein, er hätte gerne den Text genauso vorgeschrieben wie er später gedruckt werde. 

Mich hat das damals beschäftigt, weil ich mich gefragt habe: Welches Verständnis hat so ein Anwalt von Journalismus?

In der Tat kommt es immer wieder vor, dass Anwälte sich wundern: „Was die Redaktion veröffentlicht hat, ist ja gar nicht das, was wir hingeschickt haben?!“ Oder: „Sie haben doch gesagt, die Pressemitteilung wäre gut, warum ist die denn dann noch einmal verändert worden?“

Statt eine Grundsatzdiskussion loszutreten, sage oder schreibe ich dann meistens nur kurz, das sei nun mal die redaktionelle Freiheit. Da könnten wir nichts machen.

Anwälte müssen im Detail nicht wissen, wie Redaktionen ticken. Redakteure kennen ja meist auch nicht die ZPO. Aber dass zur Pressefreiheit auch solche kleinen, aber eben doch wichtigen Details gehören wie, dass Pressemitteilungen von Unternehmen oder Kanzleien nicht eins zu eins gedruckt werden, ist zum Glück den allermeisten bewusst. Dass manche es vielleicht nicht mehr wissen, hat mutmaßlich zwei Gründe:

Die Zahl der Online-Portale, die Unternehmensmeldungen nahezu unverändert oder sogar wörtlich publizieren, wächst. Journalisten unter immensem Zeitdruck und teils mit – sagen wir mal – anderem Journalismus-Verständnis, heben zunehmend Marketingaussagen unhinter­fragt ins Blatt oder auf die Online-Seite. Wenn ein Medium den zwar aufstrebenden, aber noch vergleichsweise unbekannten Jung-Partner dann als „international renommierten Branchen-Kenner mit exzellenten Spezialkenntnissen" außer­halb wörtlicher Rede ins Blatt hebt, wird es schwieriger zu erklären, warum das dann nicht auch in den großen Medien steht, ja diese die Meldung vielmehr ignoriert haben.

Und es liegt teilweise auch an den Kommunikatoren der Kanzleien, die sich entweder nicht trauen, den Partnern vorab eine realistische Einschätzung zu geben („die Partner wollen das so, da kann ich nichts machen") oder es selbst nicht besser wissen, weil in Zeiten von Content Marketing und Owned Content die Grenzen zwischen Marketing und Journalismus zunehmend verschwimmen.

Im zweiten Fall prophezeie ich meist, dass die Kolleginnen und Kollegen es nicht allzu lange in der Branche aushalten, weil, wer nur ausführt, aber nicht berät, in der Regel nicht hinreichend ernstgenommen wird. Natürlich entscheiden letztlich die Partner – aber sie sollten zumindest die Möglichkeit bekommen, dies auf Basis einer sachverständigen Einschätzung zu tun. In den meisten Fällen sind sie dafür nämlich offen und größtenteils dankbar. Im ersten Fall ist es schwieriger, weil wie gesagt immer mehr Medien es mit der Trennung von Journalismus und Marketing auch nicht mehr so ganz genau nehmen.

Stand heute sind allerdings gerade jene Medien, die sich für Themen aus und um Kanzleien interessieren, noch dem klassischen Verständnis von Journalismus zugeneigt, sprich: Anwälte schreiben, was sie möchten, und eine handwerklich gut gemachte Pressemitteilung macht Sinn. Aber sie ist eben nie das, was eine Redaktion, die ihre Rolle ernst nimmt, letztlich veröffentlicht. 

Wie ist die Geschichte vom Anfang ausgegangen? Der Anwalt hat selbst einen Text geschrieben. Und an die Redaktion geschickt. Raten Sie, was veröffentlicht wurde?

Ich war nicht enttäuscht.

Silke Haars Kommunikation

Public Relations for the Legal Profession

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