Heute muss mehr Lametta

Jetzt ist es wirklich fast am Ende. Dieses verkorkste Jahr, in dem alles völlig durcheinander geraten ist. So durcheinander wie wir selbst es seit Monaten eigentlich durchweg sind. Beim ersten Lockdown haben wir die Wochentage vergessen und später auch die Jahreszeiten. Osterferien, Sommerurlaub, Herbstfestivals, Weihnachtsmärkte – konnten wir vergessen. Beim zweiten Lockdown wissen wir zwar wieder, ob Sonntag oder Montag ist, aber nicht, ob an Heiligabend noch die Tante kommen darf, wenn Oma und Opa und zwei Geschwister mit Partner und einem Kind über 14 schon da sind. Vernünftig ist es ohnehin, es sich zu zweit alleine gemütlich zu machen.

Das Schlimmste aber ist, wir haben kein anderes Thema als dieses Jahr. Weil wir nichts erleben. Weil wir es leid sind, das Lesen und die einsamen Hobbies, die Netflix-Serien und das Kochen und Backen und ach, das viele Essen und noch mehr das Trinken. Was soll man darüber auch erzählen? 

Selbst vor der Weihnachtspost macht dieses Jahr nicht halt. Dabei sollte die doch ein bisschen erbaulich sein und fröhlich stimmen. Stattdessen lesen wir in vielen E-Mails und auf weit weniger Karten das Jahr sei „aufregend”, „herausfordernd”, „schwer”, „anstrengend” und „wirklich ganz besonders” gewesen, aber das nächste werde hoffentlich besser. Als ob wir das nicht selber wüssten (und nein, das nächste wird vermutlich erst mal nicht besser).

Dieses Jahr glänzt und glitzert nicht. Es ist trist und trübe, und selbst ein sonniger Sommer konnte darüber nicht hinwegtäuschen. Der hat uns nur eine kleine Verschnaufpause an der frischen Luft verschafft. Dieses Jahr kann weg. Und es ist alles darüber gesagt. 

Also stellen wir in diesen Tagen den Tannenbaum auf und denken wie jedes Weihnachten an Opa Hoppenstedt und dass früher mehr Lametta war.

Wieso früher? 

Dieses Jahr braucht dringend Lametta, viel Lametta. Es braucht mehr Lametta als früher. Dieses Jahr setzen wir uns trotzig vor einen Baum, der so verkleidet ist, dass selbst ein Elton John in seinen schrillsten Kostümen dagegen verblasst. An dem bei jedem Vorbeigehen ein Lufthauch Aberhunderte von Silberfäden leise rascheln lässt und kitschige Kugel klackern. Den im Sinne ordentlicher Abfalltrennung zu entschmücken im Januar Stunden dauern wird.  

So einen Baum haben wir uns verdient. Und darüber haben wir dann auch etwas zu erzählen. Im Frühjahr und noch in zehn Jahren: „Weißt du noch, 2020?” – „Na sicher, das war doch das Jahr,  in dem wir keinen grünen, sondern den silbernen Tannenbaum hatten, bei dem du später einen ganzen Abend lang fluchend die Fäden aus den Ästen gefummelt hast …”

Sie haben hoffentlich noch irgendwo ein bisschen Lametta aufbewahrt. Ich schon.

Frohe Weihnachten!

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Silke Haars Kommunikation

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