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Vor Jahren, als Kanzleien noch Broschüren für Mandanten drucken ließen und ihnen Papier wertvoller war als online, trug sich das Folgende zu:

Eine Kanzlei bekommt den ersten Aufschlag für eine Broschüre geschickt, bei der schon fast alles stimmt. Nur ein Zitat auf der ersten Aufschlagsseite, das fehlt noch, da hat der Grafiker hineingeschrieben, was ein Grafiker halt so schreibt, wenn dem Texter noch nichts eingefallen ist.

Die Rückmeldung lässt nicht lange auf sich warten. Toll, sagt der Kanzleimarketingmitarbeiter, alles ganz prima. Nur bei dem Zitat, da seien die Partner nicht sicher. Da ließen sie fragen, ob es auf Latein nicht doch zu anspruchsvoll sei. Und überhaupt: was das denn heißen würde:

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Wir haben sehr gelacht. Und fortan Layoutseiten stattdessen lieber befüllt mit etwas wie:

Weit hinten, hinter den Wortbergen, fern der Länder Vokalien und Konsonantien leben die Blindtexte. Abgeschieden wohnen sie in Buchstabhausen an der Küste des Semantik, eines großen Sprachozeans.

Wenn ich heute auf Unternehmenswebsites die Rubrik “Über uns” anklicke, denke ich oft an diese Geschichte. Da lese ich dann nämlich Sätze wie:

“Wir bieten unseren Kunden individuell abgestimmte Lösungen, die einem integrierten und eigenständigen Ansatz folgen.”

Oder:

“Unsere Zielsetzung ist es, für unsere Kunden Kostenvorteile zu schaffen, ein einfaches Handling und schnellen Service zu bieten sowie insgesamt eine überdurchschnittlich hohe Produkt- und Beratungsqualität.”

Oder:

“Wir arbeiten mit Playern zusammen, die die Technologien aufbauen, die die Zukunft bestimmen werden. Was auch immer Sie tun, wo auch immer Sie sind, wir helfen Ihnen, Ihre Geschäftsreise zu meistern.”

Mmh.

Mit ein bisschen Glück gibt die Sekundärrecherche Auskunft, was besagte Unternehmen so in etwa machen. Meistens irgendwas mit Internet.

Ich frage mich dann trotzdem: Wer schreibt solche Sätze? Und warum? Und für wen?

Gibt es da einen geheimen Code, den nur versteht, wer im Grunde nichts verstehen will, sondern sich einfach nur gut dabei fühlen, nichts gesagt zu haben, aber das mit umso mehr Worten? Ist das dieses „postfaktisch“ oder faktisch einfach nur Unsinn?

Und dann denke ich an Lorem ipsum dolor. Ich stelle mir einen Webdesigner vor, dem der Texter noch ein bisschen Text schuldet, und der dann hineinschreibt in die Textlücke, was ihm gerade so einfällt. Aber weil es kein Latein ist, sondern eben Deutsch oder Englisch traut sich einfach niemand zu fragen, was das denn wohl heißt…

Nachtrag:

Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam, qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur.

Das heißt tatsächlich etwas. Können Sie googeln.

Silke Haars Kommunikation

Public Relations for the Legal Profession

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