Querlesen

Vor einiger Zeit habe ich mich in eine Online-Veranstaltung eingewählt, in der eine sehr junge Frau etwas sehr Selbstverständliches, aber eben doch sehr Kluges gesagt hat. Es ging um Medien und um Nutzerverhalten und was eine Zukunft hätte. Diese ganzen Podcasts und Videos, hat die sehr junge Frau sinngemäß gesagt, die könnten mit Texten nicht mithalten. Weil: Podcast und Videos, die könne man beide nicht quer lesen. Und deshalb seien ihr zum Beispiel Newsletter und Zeitungen viel lieber. 

Doppeltes Ausrufezeichen.

Wer mit Zeitungen aufgewachsen ist wie ich, freut sich ungemein über so einen Satz. Ohne Querlesen könnte ich mein Medienpensum gar nicht schaffen. Schon meine Eltern hatten zwei Tageszeitungen (die eine wegen der Todes­anzeigen, die andere, weil die politische Linie meinen Eltern mehr lag) plus eine Sonntagszeitung im Abo. Seit dem ersten Semester lese ich mindestens eine Tageszeitung plus Wochenzeitung. Seit ich selbständig bin, habe ich im Prinzip alle großen Tages- und Wochenzeitungen plus zig Magazine im Abo. 

So gerne ich es würde: Alle lesen kann ich sie selbstverständlich nicht. Aber so wie andere Newsletter quer lesen, so lese ich eben FAZ und Handels­blatt und Börsen-Zeitung und Welt und Süddeutsche und .... quer. 

Zeitung lesen ist für mich völlig normal. Zeitunglesen ist ein bisschen wie atmen. Frühstück ohne Zeitung ist kein Frühstück. Ein Leben ohne Zeitungen wäre möglich - aber irgendwie auch sinnlos.

Die Anwälte, mit denen ich arbeite, lesen naturgemäß auch sehr viel. Und doch stelle ich zunehmend fest: Zeitung lesen viele nicht mehr. 

Und damit beginnen die Probleme. So mancher Anwalt möchte zwar unbedingt mal etwas in der FAZ oder einer anderen Zeitung schreiben. Aber wenn die Zusage für den Gastbeitrag dann da ist, kommt eine Mail mit: „Können Sie mir mal ein paar Artikel schicken? Ich lese die FAZ ja nicht so oft." 

Oder es kommt die Frage, ob man nicht mal ein paar Gastbeiträge in der Süddeutschen veröffentlichen könne. 

Oder: Wenn man regelmäßig Texte für die Xyz-Zeitung liefern würde, was der Verlag dem Anwalt dafür wohl zahlen würde?

Mmh.

Ich verstehe, dass Menschen, die sehr wenig Zeit haben, ihre Zeit besonders gut einteilen müssen. Und Prioritäten setzen sowieso. 

Aber zu glauben, dass LinkedIn und frei zugängliche Online-Portale für den täglichen Medienkonsum schon ausreichen und man sich die Tageszeitung sparen kann – ich finde das höchst befremdlich. 

Ja, die Medien haben einen Riesenfehler gemacht, als sie in der ersten Welle des Online-Journalismus ihren Content verschenkt haben und sich viel zu viele Leserinnen und Leser daran gewöhnt haben, dass Nachrichten immer irgendwo gratis zu haben sind. Diese Leser überzeugt man nur mühsam davon, sich wieder auf Bezahlmodelle einzulassen, die nicht nur Geld – das ist meist nicht das eigentliche Problem –, sondern auch Aufmerksamkeit kosten, damit sie Sinn machen. Aber steigende Online-Abonnenten-Zahlen beweisen: ganz unmöglich ist das nicht.

Wer möchte, dass es die Medien, von denen er weiß, dass sie gut sind und dass sie zurecht eine hohe Glaubwürdigkeit genießen, auch morgen noch gibt, der sollte mindestens ein oder zwei davon im Abo haben. Jedes Abo hat sich dann bei einem richtig guten Artikel schon gelohnt. Und dann, dann dürfte es auch verdient ab und an der eigene sein. 

Also, bitte kaufen Sie Zeitungen! Schließen Sie ein Abo ab. Oder auch zwei. Sie können es ganz locker querlesen.

Disclaimer: Die in diesem Beitrag genannten Beispiele sind echt. Sie stammen aber aus verschiedenen Jahren und von Anwälten, mit denen wir heute nicht mehr zusammen arbeiten. Dass uns gerade jüngere Anwälte sagen, sie abonnierten keine Tageszeitungen mehr, ist hingegen nicht selten.

Silke Haars Kommunikation

Public Relations for the Legal Profession

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